Stella Noviomagi,
ein antikes Weinschiff an der Mosel


Rheinland-Pfalz / Neumagen-Dhron

Moseltal

Text und Fotos: Stephan Käufer

Mit schnellem, peitschendem Flügelschlag und laut schnatternd brechen plötzlich in einen Steilflug übergehend, zwei Enten aus dem Ufergestrüpp heraus. Ihr schimpfendes Geschnatter dürfte übersetzt in menschliche Sprache etwa so wie: „Beim Teutates, die spinnen, die … Nachfahren der Treverer“ klingen. Eine Runde drehen die aufgeregten Vögel über die Mosel und setzen dann in respektvollem Abstand zur Landung an. Doch auch scheinbar beruhigt im Wasser schwimmend beobachten sie das Objekt ihrer Aufregung. Motorgetrieben und mit einer fröhlich lachenden Besatzung bemannt, schiebt sich die „Stella Noviomagi“ in das Fahrwasser des Flusses, für Aufregung im Tierreich sorgend.

...furchterregende Drachenköpfe?

Die Stella Noviomagi ist der Nachbau eines antiken römischen Handelsschiffes. Ihr Heimathafen ist Neumagen-Dhron. Noviomagus Treverum, wie Neumagen - Dhron zur Zeit der Römer genannt wurde, ist der älteste Weinort Deutschlands und liegt im oberen Moseltal etwa 20 km nordöstlich von Trier. Im Jahre 1878 wurde bei Grabungen im konstantinischen Kastell Noviomagus das Modell eines römischen Weinschiffes entdeckt. Im August 2007 wurde dessen Nachbau den Fluten der Mosel übergeben.

„Das Holz für das Schiff wurde aus dem Gemeindewald zur Verfügung gestellt“, erklärt Herbert Fass. Den Stolz auf das gelungene Schiffbauprojekt sieht man Herbert Fass an. Der Keller-, Winzer- und Küfermeister steht an der Mosel am Liegeplatz des Weinschiffes und bietet dort Wein an. „Bis zur Marterkapelle bei Trittenheim fährt die „Stella“ moselaufwärts. Dort wird gewendet und dann geht es abwärts bis Piesport“ fügt er noch hinzu.“

Stella Noviomagi

Auf der „Stella“, die mittlerweile vom Ufer freigekommen ist, erklärt unterdessen der „Centurio Commandantix“ den freiwilligen und garantiert nicht unter spätrömischer Dekadenz leidenden Galeerensklaven den Umgang mit den Rudern. Dazu ertönt, blechern klingend, ein Trömmelchen, mit dem der „Matrose Taktgeberix“ den Rudersklaven den Rudertakt vorgibt. Und irgendwann erweckt das lustige Spektakel denn auch tatsächlich den Eindruck, als würden die Ruder gleichmäßig im Takt zur Fortbewegung des Schiffes bewegt werden. Sei es drum, die böse dreinblickenden Drachenköpfe an Bug und Heck des Schiffes werden das Schiff schon schaukeln und es vor den bösen Flussgeistern „oh Mosella“ beschützen.

Liegeplatz Neumagen Drohn

Für Einzel- und Bildungsfahrten steht die Stella zur Verfügung, Rudersklaven werden bevorzugt genommen. Peitschen um die Sklaven gefügig zu machen, sollten aber besser zu Hause gelassen werden. Auch der Komplettcharter für ganze Gruppen ist möglich. Das Weinschiff bietet Platz für 40 Passagiere.

Während unsere zwei Enten entspannt und scheinbar vergnügt der moselabwärts entschwindenden Stella hinterher schnattern, schaukeln im Jachthafen von Neumagen-Dhron Festina Lente, Carpe Diem, und Ille Flottante sacht vor sich hin. In dem ein oder anderen Motorboot, mit stolzem Namen, sitzen die Eigner mit Freunden bei einem Gläschen Moselwein und genießen einfach die Ruhe. Lauschen dem Wellenschlag des Flusses oder entspannen beim Anblick, den das Panorama der Weinberge bietet. Direkt neben den Liegeplätzen der Motorboote stehen auf dem Reisemobilstellplatz Wohnmobile deren Nummernschilder in Cuxhaven, in Augsburg, Magdeburg oder in Duisburg geprägt wurden. In den letzten Jahren sind in den Weinorten zwischen Minheim und Trittenheim etwa 300 Reisemobilstellplätze entstanden, die von Fachmagazinen als ausgezeichnet bezeichnet wurden. Private Atmosphäre versprechen Stellplätze, die von den Winzern in der Nähe der Betriebe oder der Weingärten angelegt wurden.

urige Gasthäuser

Abseits vom Strom, beim Schlendern durch die urigen Gassen des Moselortes, warten die Tische und Stühle gemütlicher aus Schiefergestein errichteter Wein- und Gasthäuser darauf, hungrigen und durstigen Gästen ihren Aufenthalt schmackhaft zu gestalten. Die Weine der Region heißen Apotheke, Rosengärtchen, Hofberger, Goldtröpfchen oder Kapellchen. Sie finden immer wieder Erwähnung in Weinführern wie dem „Gault Millau Wein Guide Deutschland“. So werden auch die fünf Wanderer, die über den Römersteig Neumagen – Dhron erreicht haben, in einem der Gasthöfe einkehren. Etwa 20 km führt der Wanderweg von Minheim bis Trittenheim und leitet in Neumagen-Dhron direkt durch die Ortschaft. Auf der „Weißlei“ zwischen Neumagen – Dhron und Piesport eröffnet sich für den Wanderer etwa 300m über der Mosel ein spektakulärer Blick über Fluss, Tal und Weinberge. Sehenswert ist auch die römische Kelteranlage in Piesport.

Wieder am Fluss angekommen, schnattern plötzlich ein paar Enten aus unerfindlichen Gründen los. Die Stella Noviomagi liegt sicher vertäut an ihrem Liegeplatz und kann unmöglich der Grund der Aufregung sein. Die seit Jahrtausenden gleichmütig dahin fließende Mosel wird wohl wissen, warum die Tiere plötzlich losschimpfen, aber mit Sicherheit ist es ihr und ihren Flussgöttern vollkommen egal.