Kopenhagener Rennfieber
Dänemark - Kopenhagen

Text und Fotos: Stephan Käufer
Durch seine offenen Vergaser saugt der aufheulende Achtzylinder die sommerliche Luft in sich hinein. Augenblicklich wenden sich Dutzende Augenpaare der Richtung zu aus der der unverwechselbare Klang der Cobra ertönt. Shelby Cobra, Name Automobil Mythos. Für die Rennstrecke gebaut, muskulös im Auftritt, schlank in der Linie. Wenn sie auch nur als Zuschauer, als Zaungast hier dabei sein darf, so muss sie wohl doch ihre Stimme ertönen lassen. Schade, dass die beiden Cobras, die der Cobra Klub Danmark am Rande des Kopenhagen Historik Gran Prix ausstellt, lediglich Repliken sind. Doch auch die Repliken ziehen unter all den Originalen die bewundernden Blicke der Passanten auf sich.

Nunmehr zum dreizehnten Mal, findet am 03. und 04. August 2013 im Faelledparken im Schatten des Fußballstadions der Kopenhagen Classic Grand Prix statt. Mit 25.000 Zuschauern, 3000 mehr als im Vorjahr, schrieb die Veranstaltung bereits 2011 Zuschauerrekorde. Erstmalig ausgetragen im Jahr 1996, als Kopenhagen Europäische Kulturhauptstadt war, mausert sich der Grand Prix damit zu einer der größten Rennveranstaltungen für klassische Automobile in Nordeuropa. Etwa 50 Ehrenamtliche verwandeln innerhalb von acht Tagen den beschaulichen Park in eine Rennstrecke, auf der Spitzengeschwindigkeiten bis zu 300 km/h möglich sind.

Hierbei werden über 800 Fahrbahnbegrenzungen aus Beton sowie ebenfalls über 800 Strohballen bewegt. Ebenfalls werden über 1800 Tribünenplätze, drei Restaurantzelte mit Platz für über 800 Gäste, sowie 90 Garagenzelte für die Klassiker errichtet. Weitere 300 Freiwillige sind während der Rennen als Streckenposten, Zeitnehmer, Sicherheitspersonal oder in der Organisation mit von der Partie.

So erzählt denn auch Per I. Leth am Rande des Renngeschehens: „Für mich ist das Organisieren der Rennen wie Urlaub. Die alten Autos mitten in dieser tollen Stadt“. Dann ertönt ein krächzen in seinem Walkie-Talkie, und sofort entschwindet er in seinem nagelneuen schwarzen AMG-Mercedes. Ehrenhalber ist der 52 jährige Däne aus Silkeborg einer Stadt in Mitteljütland nun schon als „Streckenchef“ beim Classic Grand Prix dabei. Dem breiten Grinsen in seinem Gesicht sieht man an das es bestimmt auch nicht das letzte Mal, sein wird, das er hier, keine zwei Kilometer Luftlinie von der kleinen Meerjungfrau entfernt, seinen Job macht.

Aus der lang gezogenen Rechtskurve donnern die Autos heran. Der cremefarbene MG - TC von Nicolaj Hansson liegt in Führung, aber an seiner Stoßstange klebt George Edney, ebenfalls auf einem MG. Die beiden schenken sich nichts. Nach der kurzen Geraden kommt die „Tag Heuer Kurve“. Im neunzig-Grad-Winkel schwenkt hier die Rennstrecke nach links. Hält Hansson die Innenposition in der Kurve, oder drängt der rote MG an ihm vorbei? Hunderte Zuschauer verfolgen auf der Tribüne das Duell der beiden. Er kann die Position halten. Ein kurzes Rühren im Getriebe, Zwischengas, Fehlzündungen ein kurzes, kaum wahrnehmbares Abbremsen und dann das erneute Aufheulen der Kompressormotoren. Vollgas. Hansson kann Boden gut machen. Edney kommt schlechter aus der Kurve. Hansson donnert schon auf die nächste Kurve zu. Auf der folgenden langen Geraden hat Edney keine Chance …

„Die Motoren der Autos müssen jeweils aus demselben Zeitraum stammen“, erzählt Joergen Hansson. Zusammen mit seinem 30- jährigen Sohn Nicolaj fährt der sonst so gemütliche Däne in der Klasse der „Rennwagen bis Baujahr 1947“. Joergen mit seinem blauen 1938er MG - TA. Nicolaj fährt einen cremefarbenen MG - TC Baujahr 1946, den ersten Nach-Kriegs MG. Über 10.000 Fahrzeuge produzierte „Morris Garages“ von diesem Fahrzeug in den Jahren 1945 bis 1950. Vor dem weißen Boxenwagen der Beiden steht ein blauer Pavillon. Plastiksitzmöbel mit Polster und ein Campingtisch stehen darunter. Kaffee dampft auf dem Tisch. Mette, die Frau von Joergen und Mutter der Kompanie, sorgt für das leibliche Wohl „ihrer“ Mannen. An der geöffneten Motorhaube stehen fachsimpelnd ein paar ältere Herren. Kinderaugen unter dem Weihnachtsbaum können nicht stärker leuchten wie die Augen der „alten Jungs“.

Bei aller Professionalität und dem Anspruch an Sicherheit geht an der Rennstrecke und im Fahrerlager doch alles sehr familiär zu. Bis an die Fahrzeuge können die Zuschauer herankommen, und auch der Blick unter die Motorhaube ist möglich. Fahrer und Mechaniker haben ein offenes Ohr und sind einem kleinen Plausch nicht abgeneigt. Sehen und gesehen werden, träumen mit offenen Augen, schwärmen von und über Legenden und das Aufstöbern des Traumes aus Kindheitstagen, das ist es, was den Reiz der Veranstaltung ausmacht.

Ja, und natürlich so ganz nebenbei die Rennen selbst, bei denen sich nichts geschenkt wird und wo jederzeit das Risiko besteht, dass aus einem Traum in Sekundenbruchteilen ein Haufen Schrott wird. Und als Draufgabe, findet all das statt, in den Mauern einer Stadt, die um ihrer selbst willen allein schon als Urlaubsziel vieles zu bieten hat.